"Grünenwalde", so hieß unser Restaurant früher, ist vermutlich um 1850 erbaut worden. Aus den in der Familie Flottmann verwahrten Dokumenten und Ansichtskarten läßt sich die Geschichte dieses Gasthausen wie ein Puzzlespiel rekonstruieren.
Zwischen 1800 und 1850 entstanden die ersten fest und gut ausgebauten Landstraßen. An den "Schlingen" (Zollschlagbäumen) siedelten sich schnell Straßenwirtschaften an. Für den Wegezoll musste ein Kutscher um 1850 für ein Pferdefuhrwerk einen Groschen bezahlen. Im "Grünenwalde" wurde der Wegezoll bis 1923 erhoben.
Als erster Wirt auf "Grünenwalde" wird der Bäcker August Gehring genannt. Von ihm kaufte 1882 der aus Hörste stammende Fritz Flottmann das damals auch landwirtschaftlich genutze Anwesen. Diese Konzession wurde von Landrat Graf zu Ysenburg am 13. März 1882 beurkundet.
Fritz Flottmann war mit Minna Schneiker vom Hof Eggeberg Nr. 6 (Halle/Westfalen) verheiratet und hatte fünf Söhne. Aus dieser Zeit stammt die älteste Fotografie vom Haus "Grünenwalde".
Auf dem Foto sehen Sie zylinderbehütete Männer an Tischen beim Bier auf der Straße in ausgelassener Stimmung vor dem Haus sitzen.
Auch die Familie Flottmann mit fünf noch kleinen Kindern ist auf der Fotografie rechts neben dem Eingangsbereich zu sehen. Das Gebäude ist noch einstöckig ohne Saalanbau und hat zur Straßenseite noch ein Deelentor.
Kurz vor dem Ausbruch des ersten Weltkrieges (1914 - 1918) wurde das Wohn- und Gasthaus aufgestockt und bekam einen Frontgiebel mit neuen Eingangsbereich.
Um 1896 hat Fritz Flottmann den Saalanbau mit Veranda erstellen lassen. Eine weitläufige Gartenanlage mit kleinen Teichen und einem Springbrunnen, zwei Freiluftkegelbahnen füllen die ganze Talsenke hinter dem Haus aus. Hier verläuft heute die Theenhauser Straße, die Umgehungsstraße von Werther nach Halle (Westf.).
Fritz Flottmann galt als freundlicher und umgänglicher Wirt. Er hatte es verstanden "Grünenwalde" zu einem beliebten Ausflugsziel für die vornehmen, wohlhabenen Bürger von Bielefeld, die Patrizier, zu machen. Oftmals standen zehn Landauer-Kutschen vor der Gaststätte. Die Pferde wurden derweilen in den Stallungen versorgt.
Im ersten Weltkrieg wurde in "Grünenwalde" von 1915 bis 1918 eine Kompanie des Infantrie Ersatzbataillons 131 kaserniert.
1932 starb Fritz Flottmann im Alter von 78 Jahren. Nachfolger wurde sein Sohn Hermann, der mit Frida Vormbrock, einer Gastwirttochter aus Brockhagen, verheiratet war. Frida Flottman, geborene Vormbrock, hat sich bis weit über 1975 in Küche und rund ums Haus nützlich gemacht.
Nach dem zeiten Weltkrieg wurde "Grünenwalde" zu einem Treff- und Sammelpunkt der Ostvertriebenen, die sogar im Gastsaal zeitweilig ein Notquartier gefunden hatten. Seitdem wurde das Lokal zu einem Wallfahrtsort für die ostdeutschen Landmanschaften. Außerdem hatten hier viele Vereine ihr Stammlokal, am längsten wohl die "Kriegerkameradschaft Ravensberg".
1952 übernimmt Hans-Günter Flottmann mit seiner Frau Berta Flottmann in dritter Generation das Gasthaus "Grünenwalde". Der frühe Tod von Hans-Günter Flottmann vereitelte die vorgesehene Renovierung der traditionsreichen Gaststätte. Ein fortbestehen der Gaststätte ist ungewiß denn Berta Flottmann erwägt das Haus zu verkaufen.
"Aber erstmal geht es noch weiter wie bisher." sagte die noch junge Wirtin damals.
1975 wurde die Umgehungsstraße von Werther nach Halle (Westfalen) fertig gestellt. Der Trassenverlauf der Umgehungsstraße geht genau durch den Garten von "Grünenwalde".
Die alte Landstraße L728 führte nun von der Wirtschaft bis zum ehemaligen Kalkofen wo sie abrubt endet. "Grünenwalde" hatte nun keinen Durchgangsverkehr mehr vor dem Haus.
"Es ist nicht gesagt, das die verkehrsmäßige Veränderung ein Nachteil für "Grünenwalde" sein muss. Es ist nun viel ruhiger geworden und das wird unsere holländischen Stammgäste, die hier seit Jahren Urlaub machen, sicher gefallen. Und wenn ich will kann ich nun wieder Tische vor dem Haus auf die Straße stellen, wie Großvater Fritz das vor fast 100 Jahren auch schon getan hat." erzählt Berta Flottmann.